Lesegruppe: Weiblichkeit in der Psychoanalyse II — Das Sexuelle in Theorie und Praxis der feministischen Psychoanalyse

Durch ein erstes Beschäftigen im letzten Semester mit vergangenen und gegenwärtigen Konzeptualisierungen des Weiblichen innerhalb der psychoanalytischen Theorie, hat sich unsere Lust vertieft, mit dem Thema der Weiblichkeit in eine zweite Runde zu starten. Anstatt in diverse Publikationen einzutauchen, lesen wir dieses Mal Anna Koellreuters Buch Das Tabu des Begehrens—Zur Verflüchtigung des Sexuellen in Theorie und Praxis der feministischen Psychoanalyse. Das Buch dockt zusammenfassend an die besprochenen Inhalte des letzten Semesters an und führt die geschichtliche Weiterentwicklung der Weiblichkeitsdebatte kritisch und positioniert fort.

Wichtig: Trotz Vertiefung in das Thema sind keine Vorkenntnisse erforderlich—wir erarbeiten uns die Inhalte in gemeinsamer Differenz.  

Der Trieb und das Triebhafte in der weiblichen Subjektkonstitution—Anna Koellreuter (2000)
Termin 1: Freitag, 25.03.2022, 19:15–21:00 @Universität Zürich KOL-G-220
Beim ersten Lesegruppetermin beschäftigen wir uns mit dem generellen Anliegen in Koellreuters Buch, in welchem sie sich mit dem Triebhaften zwischen Frauen innerhalb der feministisch-psychoanalytischen Theorie und Praxis beschäftigt. Als praktizierende Psychoanalytikerin geht sie ihren eigenen Erfahrungen von Stagnation, Sprachlosigkeit und Deutungsunvermögen in ihren Frau-zu-Frau Analysen nach und verarbeitet diese in ihrer postulierten These, dass das Sexuelle zwischen Frauen in Theorie und Praxis unterdrückt wird. Koellreuter macht sich dieser Triebabwehr auf die Spuren, in dem sie die Leerstellen bezüglich Weiblichkeit in Freuds Texten, als auch seinen NachfolgerInnen, eruiert und in den Zusammenhang feministisch-psychoanalytischer Publikationen bringt. Um diesen Gedankengängen zu folgen widmen wir uns aber erstmal dem Triebbegriff und seinen Verbindungen zum Sexuellen.

Das Sexuelle im feministisch-psychoanalytischen Diskurs—Anna Koellreuter (2000)
Termin 2: Freitag, 08.04.2022, 19:15–21:00 @Universität Zürich KOL-G-220

In einer zweiten Lektüre widmen wir uns Freuds Traumabegriff und dessen Verbindungen zu seiner formulierten Triebtheorie. Freud löste seine anfängliche Verführungstheorie durch die Triebtheorie ab, welches ihn veranlasste, das im Kind ausgelöste Trauma nicht als ein real-sexuelles in der äusseren Realität anzusehen, sondern als ein Erlebnis verdrängter, sexueller Wünsche und Phantasien zu deuten. Damit rückt der Sexual- bzw. Triebkonflikt in das Zentrum menschlicher und sozialer Beziehungen. Diese Erkenntnis trug allerdings auch dazu bei, dass sich Freud mit den Konzepten des Penisneides, des Ödipuskomplexes und der Kastrationsangst auf eine Art und Weise beschäftigte, welche das weibliche Wesen nur vom Ausgangspunkt der männlichen Existenz denken konnte. Diese Kontroverse löste eine Weiblichkeitsdebatte aus, welche in den 30er Jahren begann und von Koellreuter in der geschichtlich-theoretischen Weiterentwicklung, insbesondere der feministisch-psychoanalytischen Literatur, aufgerollt und in Hinblick auf die Verflüchtigung des Triebhaften kritisch beleuchtet wird.

Die Mutter und das Homosexualitätstabu—Anna Koellreuter (2000)
Termin 3: Freitag, 22.04.2022, 19:15–21:00 @Universität Zürich KOL-G-220

Für diesen Lesetermin tauchen wir in Laplanches Triebverständnis ein, welches eine Weiterentwicklung der Freudschen Triebtheorie darstellt. Darin zeigt Laplanche die fundamentale sexuelle Rolle der Mutter für das Kind auf. Laplanches Konzeption über die Mutter als Urverführerin, anstelle des real sexuell traumatisierenden Vaters hat insbesondere von feministischer Seite, vehement Kritik ausgelöst. Koellreuter widmet sich dieser Kritik in differenzierter Position. Ebenfalls wird es Teil dieser Sitzung sein, das Homosexualitätstabu innerhalb der Psychoanalyse in Verbindung zum Triebgeschehen zwischen Frauen zu setzen. Das Thema der Unterdrückung der Homosexualität zeigt in der Psychoanalyse ähnliche historische Dimensionen wie die Ausblendung einer spezifisch-weiblichen Entwicklung. In der feministischen Auseinandersetzung wird zwar das Homosexualitätstabu aufgearbeitet, jedoch schleichen sich pathologisierende Zuschreibungen und Diagnosen unbewusst doch wieder ein, welche gerade im Hinblick auf das Triebhafte zwischen Frauen eine abwehrende Haltung verursachen.

Das Fremde in der Übertragung zwischen zwei Frauen—Anna Koellreuter (2000)
Termin 4: Freitag, 06.05.2022, 19:15–21:00 @Universität Zürich KOL-G-220
Zu Gast: Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin, PSZ

Am letzten Leseabend befassen wir uns anhand der psychoanalytischen Gegenübertragungs-geschichte mit dem Fremden an sich und demjenigen zwischen zwei Frauen. Dass Freud in seinen Analysen einen eigenen Umgang pflegte, weit weg von seinen Theorien wird mit Hilfe Cremius Studie illustriert. Ausserdem tauchen wir in den Kernpunkt von Laplanches Texten und wenn man so will in den Kernpunkt des analytischen Geschehens: das sexuelle Rätsel in der Übertragung. Zum Schluss führt Koellreuter in einer Fallvignette durch ihre eigenen Übertragungsängste und versucht, der gemeinsamen Triebabwehr von Analytikerin und Analysandin auf die Schliche zu kommen. Diese Erkenntnisse setzt sie in Zusammenhang mit dem Homosexualitätstabu und der Mutter-Tochterbeziehung als Wiederkehr des Verdrängten.